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Gnade sei mit uns und Friede von Gott und unserem Herrn und Heilande Jesu Christo jetzt und allzeit! Amen.

     Ihr dürft es mir glauben, Geliebte, schon oft bin ich gedrückten Herzens diese Kanzeltreppe heraufgestiegen, aber so schwer wie heute ging´s mir nie. Ist es doch heute das letzte Mal, dass ich an dieser heiligen Stätte zu Euch rede und Euche meine Gemeinde nennen darf! Fast zu derselben Zeit, da ich vor vierzehn Jahren das heilige Seelsorgeramt bei Euch übernahm und den ersten Gruß Euch gab in Christo Jesu, dem Herrn, lege ich dies Amt bei Euch nieder und scheide von Euch in demselben Herrn.
     Und wahrlich, es geschieht mit recht wehmütigen, schmerzlichen Gefühlen. Wohl weiss ich, es ist nicht Herzenshärtigkeit und Erkaltung, was unsere Verbindung löst; die Pflicht der Schonung meines durch schwere Erkrankungen geschwächten Körpers, die allein führt mich von Euch hinweg und heisst mich ausziehen nach einem Ort, da weniger körperliche Anstrengungen meiner warten. Aber demungeachtet wird er mir doch recht schwer, dieser Abschied von Euch. Denn - mit Dank gegen Gott, mit Dank gegen Euch bekenne ich es - viel Liebe und Freundschaft habe ich unter Euch erfahren, mit großer Geduld und viel Vergebung habt Ihr mich getragen allewege und durch Vertrauen mir das schwere Amt erleichtert, das ich unter Euch geführt.
     Und wenn ich daran gedenke, wie eine herzliche Theilnahme aus Eurer Mitte das Leid der schweren Tage, die mir beschieden waren, gemildert, die Freude der glücklichen Ereignisse aber, die mir und meiner Familie widerfuhren, gar sehr erhöhet hat: wie sollte da nicht ein schmerzliches Weh mir das innerste Herz bewegen in dieser Trennungsstunde! Und sollten ähnliche Gefühle jetzt auch Euer Herz durchziehen, sollte bei dem einen oder dem anderen in Eurer Mitte still und verstohlenen eine Thräne sich ins Auge drängen bei meinem Weggang: ach, eine herzerfreuende Bürgschaft sollte das mir sein, dass meine geringe Person Person und mein unscheinbares Wirken Euch nicht gleichgültig gewesen, und das mein Andenken unter Euch nicht ganz verlöschen wird!(...)
     Ich scheide von Euch mit einer Hoffnung.Vieles verlasse ich, indem ich von Euch scheide. Ich verlasse den Ort, der mir vierzehn Jahre eine liebe, traute Heimath gewesen, ich verlasse die Stätte, wo unter dem Denkmal, das allgemeine Liebe und Verehrung einem verdienten Mitbürger gesetzt, die irdischen Überreste theurer Lieben ruhen; ich verlasse so manche Liebe, theure Seele in Stadt und Land, mit der ein inniges Band mich verknüpfte; ich verlasse so manchen treuen Zuhörer, der das Wort, das ich hier als Nachmittagsprediger zumeist nur einem kleinen Häuflein verkündigen durfte, mit Freudigkeit aufnahm, mir zum süßen Trost und kräftigen Ermunterung; ich verlasse so manchen lieben Mitarbeiter im Rathe unserer Kirchengemeinde, sowie im Rathe unserer Armenbehörde, in der mit zu rathen und zu thaten mir allezeit eine große Freude war; ich verlasse endlich einen würdigen Vorgesetzten und wertgeschätzten Amtsgenossen, mit dem ich in nie gestörtem Frieden zusammenwirken durfte bis zu dieser Stunde, sowie auch einen treuen Kirchendiener, der mir und meiner Familie manchen Liebesdienst erwiesen.
     Blicke ich nun von dem, was ich verlasse, hinaus in die Zukunft, so weiss ich nicht, was ich finden werde am anderen Ort, was von Freud und Leid dort meiner wartet. Aber der guten Hoffnung und freudigen Zuversicht bin ich, der Herr, der mich einst hierher geführt und hierher gestellt, der mich unter Euch so viel Liebe und Wohlwollen hat genießen lassen, der auch da, wo er mit schwerer Prüfung zu mir trat, mich getröstet, gestärkt und erhalten, der mir gnädig hindurchgeholfen hat durch Noth und Gefahr; der wird mich auch weiter führen und die künftigen Wege mir ebnen; seine Kraft wird in mir Schwachem mächtig sein, in seiner Kraft werde ich trage, was er fügt und schickt.
     Diese Hoffnung ist ein Trost für mich und auch für Euch. Ich weiss ja ebenfalls nicht, wie es Euch ergehen wird in den kommenden Tagen, obschon mein Herz für Euch alle die besten Wünsche hegt; und wenn es mir auch vergönnt sein sollte, Euch einmal wiederzusehen, Euch alle werde ich nicht wiedersehen, die Reihen der Jetztlebenden werden sich lichten; die Gräber draußen auf unseren Friedhöfen sich mehren von Jahr zu Jahr. Aber dessen bin ich in guter Zuversicht, dass die Liebe Gottes in Christo unwandelbar über Euch walten wird und dass der, welcher das gute Werk in Euch hat angefangen, es auch vollführen wird, wie solches, wenn er spricht: "Ich befehle Euch Gott und dem Worte seiner Gnade, der da mächtig ist, Euch zu erbauen und zu geben das Erbe unter allen, die geheiligt werden." Ihm, dem Gott aller Macht und Gnade, der ohnlängst unter dem Toben und Wüthen eines grausigen Wetters unseren Ort und alles Leben in ihm gnädig behütet und geschirmt, ihm befehle ich Euch!
     In ihm bleiben wir eins, bleiben wir Glieder Eines Leibes, dessen Haupt ist Christus, wandeln wir Einen Weg, den Weg nach oben, trachten wir für Ein Reich, das Reich unseres Heilandes Jesu Christi. Mag darum auch heute das äußere Band sich lösen, das innere, das da besteht in der Gemeinschaft mit dem Herrn, das kann nicht brechen, und einst, wenn wir versammelt sein werden vor Gottes Thron, werden auch die Schranken des Raumes fallen, die jetzt scheidend zwischen uns treten.(...)