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Theorie des Becklichtbogens
von Heinrich Beck, Meiningen

(Auszüge aus der Elektrotechnischen Zeitschrift, Heft 36, 8. Sept. 1921)

   Übersicht: Die Lichtbogenerscheinung bei hohen Stromstärken, insbesondere auch bei Verwendung hochbelasteter Effektkohlen, werden beschrieben, und es wird versucht, die einzelnen Vorgänge durch systematische Betrachtungen zu ergründen. Es wird auf das Wesen der negativen Flamme eingegangen. Die Erscheinungen am positiven Krater werden geschildert, und zwar bei langsam und bei schnell verdampfender Anode. Betrachtungen über Druck und Dampfdichte werden angestellt. Die Entstehung des tief ausgehöhlten Beckkraters sowie die Lichterscheinungen werden behandelt.

Einleitung

        Wenn auch dem elektrischen Lichtbogen, der in der Entwicklungsgeschichte der Elektrotechnik schon seit Beginn eine hervorragende Rolle gespielt hat, als starkkerzige Lichtquelle für allgemeine Beleuchtungszwecke in den letzten Jahren durch die auf so hohe Stufe gebrachte Metalldrahtglühlampe der Platz streitig gemacht wurde, so hat derselbe doch da, wo es auf höchste spezifische Flächenhelligkeit ankommt, nämlich bei Scheinwerfern und Projektionsapparaten, siegreich sein Feld behauptet, um so mehr, da es vor einigen Jahren gelang, vermittels des Becklichtbogens die spezifische Helligkeit um rund das Fünffache zu steigern, sodass uns heute Lichtquellen mit 1000 Kerzen und mehr zur Verfügung stehen.
     Ob es durch rastlose Weiterarbeit den vielen mit Lichtbogenproblemen beschäftigten Forschern und Technikern gelingen wird, dem Lichtbogen sein verloren gegangenes Gebiet zurückzuerobern, lässt sich heute noch nicht sagen, aber jeder Schritt vorwärts in der Erkenntnis der noch in vielem unerforschten Lichtbogenvorgänge wird dazu beitragen, neue Möglichkeiten zu schaffen. Da sich über den Lichtbogen bei hoher Stromstärke in der Literatur nur spärliche Mitteilungen vorfinden, und meiner Ansicht nach gerade der hochamperige Lichtbogen sein Innerstes leichter enthüllt als solche mit niedriger Stromstärke, hoffe ich, dass die vorliegende Arbeit dazu beitragen möge, der Lichtbogentechnik ihren weiteren Weg erleichtern zu helfen. Da ferner der Becklichtbogen für Scheinwerferbetrieb vielfache Anwendung gefunden hat, geben meine Mitteilungen, die ich auf Grund langjähriger Versuche mit diesem Lichtbogen mache, vielleicht über meine Frage hinsichtlich des Lichtbogenvorganges gewünschte Auskunft.
     Bei höheren Stromstärken (60 bis 150 A und mehr) sind zur Zeit nachstehende, in Luft unter normalem atmosphärischen Druck brennende Lichtbogenarten bekannt:
   1. Der Lichtbogen zwischen Reinkohlen (es mag ein Kohlendocht mit dem üblichen Bindemittel vorhanden sein oder auch nicht). Charakteristische Erscheinungen: Hohes Anodengefälle nur in geringem Maße von der Stromstärke abhängig und wesentlich niedrigeres Kathodengefälle. Der positive Krater ist scharf begrenzt. Annähernd konstante spezifische Helligkeit. Der sichtbare Lichtbogen gehört der negativen Flamme an und wird bei höheren Stromstärken teilweise an der positiven Kraterfläche reflektiert. Eine Abart ist der zischende Lichtbogen, eine für die Praxis unerwünschte Erscheinung, auf welche an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll.
   2. Der Lichtbogen zwischen Effektkohlen bei normaler Belastung. Charakteristische Erscheinungen: Die Spannung ist bei gleicher Elektrodenentfernung und gleicher Stromstärke niedriger als bei Reinkohlen. Die zwischen den Elektroden befindliche Flamme ist leuchtend.
   3. Der Lichtbogen zwischen hochbelasteten Effektkohlen. Ich fand, dass bei ein und derselben Stromstärke, gleichen Elektroden und gleichem Elektrodenabstand zwei Lichtbogenarten möglich sind (vorausgesetzt, dass die Elektrode nicht ganz übermäßig hoch mit Strom belastet wird):
    A. Ein Lichtbogen mit niedriger Spannung. Charakteristische Erscheinungen: Das Anodengefälle ist niedrig. Die Anode brennt flach ab. Der Krater ist nicht scharf begrenzt. Die sichtbare negative Flamme gelangt bis zur Anode und hüllt diese unter Umständen teilweise ein. Eine schwache positive Flamme oder Teile einer solchen sind sichtbar, doch werden diese von der negativen Flamme auf ihrem Weg mitgenommen und zum Teil auch rückwärts über den Kohlenmantel der Anode gedrückt. Der Abbrand der Anode ist infolge der Einhüllung des Brennendes durch die negative Flamme, sowie infolge der geringeren elektrischen Energie verlangsamt.
    B. Der Becklichtbogen, ein Lichtbogen mit höherer Spannung. Wir haben zu unterscheiden:
     a) den Becklichtbogen ohne Kühlung der äußeren Mantelfläche der Anode. Charakteristische Erscheinungen: Hohes Anodengefälle (richtiger gesagt: hohes Spannungsgefälle in der Anode vorgelagerten Dampfschicht). Der positive Krater bohrt sich teilweise trichterförmig in die Anode ein, zum Teil greift die Strombasis etwas auf die Außenfläche der Anode über. Eine positive Flamme, welche auch den Hohlraum des Kraters mehr oder weniger ausfüllt und unter Druck aus dem Krater heraustritt, ist sichtbar. Die sichtbare negative Flamme erscheint von dem positiven Krater abgedrängt. Die positive Flamme, namentlich soweit sie im Krater liegt, und die Partie kurz vor dem Krater leuchtet mit spezifischer hoher Intensität. Die Lichtbogenwirkung der negativen Flamme ist hingegen sehr gering.
     b) den Becklichtbogen bei Kühlung der äußeren Anodenfläche. Charakteristische Erscheinungen: Im Allgemeinen die gleiche wie bei dem Becklichtbogen ohne Kühlung, jedoch mit dem Unterschied, dass jetzt der positive Krater vollständig in dem trichterförmigen Hohlraum der Anode liegt, da der Stromaustritt aus der Mantelfläche durch die Kühlung verhindert wird. Der Krater ist größer und tiefer und ein größerer Teil der positiven Flamme liegt in demselben. Der Energieumsatz, der bei der vorhergehenden Anordnung (a) auf der vorderen Mantelfläche stattfand, ist in den inneren trichterförmigen Teil der Anode verlegt. Während im allgemeinen bei Verwendung von Effektkohlen die Spannung bei gleichem Elektrodenabstand und gleicher Stromstärke niedriger als bei Reinkohlen ist, liegt bei dem Becklichtbogen das umgekehrte Verhältnis vor. Trotzdem Effektkohlen verwendet werden, ist bei gleicher Elektrodenentfernung die Spannung höher als bei Verwendung von Reinkohlen normaler Dimension.
     Bei all den angeführten Lichtbogenarten zeigt die negative Flamme im Prinzip die gleichen Eigenarten, wenigstens soweit der erste Teil der Flamme in Betracht kommt. In der Nähe der Anode ist die Flamme jedoch, wie wir gesehen haben, je nach der Art des Lichtbogens Beeinflussungen unterworfen. Eine Eigenart der negativen Flamme, die sich bei all den Arten von Lichtbögen (unter Umständen der Lichtbogen nach 2. angenommen) zeigt, ist die, dass bei Stromstärken über 85 bis 100 A sich eine sichtbare Änderung in der Struktur zeigt, in dem sich in der Mitte der Flamme ein büschelartiges Gebilde scharf abhebt. Die Dimensionierung der Elektroden - ob Docht oder kein Docht, oder selbst Dochte mit Leuchtsubstanzen (soweit erforscht) - ist auf diese Erscheinung ohne Einfluss. Nur bei ganz extrem hoch belasteter Kathode lässt sich dieses Büschel noch bis 60 A beobachten.

Die Lichtbogenerscheinungen des Beck-Lichtbogens

     Der Lichtbogen wird an den Stellen am stärksten leuchten, wo die größte Absorption (Zerstreuung) der negativen Ionen stattfindet. An diesen Stellen wird die Energie der negativen Ionen in Licht und Wärme umgesetzt. Dieses ist der Fall in der Gasschicht, in welcher das vordere Ende des negativen Büschels seine Geschwindigkeit verliert und dann weiterhin in der Dampfsäule, die sich bis zu der Anode hinzieht. Je höher die Dampfdichte, desto stärker ist die Absorption der Ionen und desto stärker das Leuchten.
     Die Gasmasse besteht aus verschiedenen Dämpfen oder Gasen, von denen jedes seinen eigenen Partialdruck und seinen eigenen Zerstreuungskoeffizienten (Absorptionskoeffizienten) und eigenen optischen Nutzeffekt hat. Die theoretisch beste Anordnung ist die, wenn das Gas oder die Gase mit gutem optischen Nutzeffekt hohe Ionenabsorption aufweisen, also hohen Partialdruck haben. Letzteres ist bei Gasen resp. Dämpfen mit hohem Molekulargewicht der Fall.
     Die Stärke des Leuchtens hängt auch weiterhin ab von der Geschwindigkeit der negativen Ionen. Je höher diese ist, desto heller ist das Leuchten, vorausgesetzt jedoch, dass die Absorption durch die Geschwindigkeit nicht geringer geworden ist. Durch die höhere Geschwindigkeit der negativen Ionen wird beim Auftreffen auf neutrale Teilchen eine größere Hitze erzielt, und das erzeugte Licht wird mehr nach dem blauen Teil des Spektrums rücken. Substanzen, in deren Natur es liegt, bei Erregung zur Lichtabgabe nur ein schwaches Spektrum in dem kurzwelligen Teil zu zeigen, dürften daher bei schnellen negativen Ionen keine gute Lichtwirkung ergeben, da das Maximum der Erregung auf Gebiete entfällt, in welchen der betreffende Stoff durch seine Natur nur geringes Strahlungsvermögen aufweist. Diese Erscheinung konnte von mir öfters beobachtet werden, ebenso wie ich bei langsameren negativen Ionen eine Abnahme der Lichtintensität in dem kurzwelligen und eine Zunahme in dem langwelligen Feld des Spektrums beobachten konnte.

Schlussbetrachtung

     Da im allgemeinen innere Lichtbogenvorgänge einer Untersuchung nur schwer zugänglich sind, so dürfte es wohl kaum einem Zweifel unterliegen, dass die Aufstellung einer Theorie über die außerordentlich komplizierten Vorgänge in dem Becklichtbogen eine schwierige Aufgabe ist, und es kann nicht erwartet werden, dass bei dem heutigen Stand der Untersuchungen eine solche Theorie in allen Punkten jeder Kritik standhält. Die vorliegende Theorie, bei der ich mir vielfach Veröffentlichungen namhafter Forscher zunutze gemacht habe, mag in manchen Fällen in Zweifel gezogen werden, eine volle Klarheit wird aber nur der Versuch bringen. Ein Teil meiner Behauptungen scheint mir durch die Versuche bewiesen zu sein. Für einen kleinen Teil der Versuche wird wohl eine direkte praktische Beweisführung nicht möglich sein. Die vornehmste Aufgabe der Theorie soll sein, bei weiteren Versuchen als Wegweiser zu dienen, sodass die Versuche planmäßig nach bestimmten Einzelzielen vorgenommen werden können. Ist dies an Hand der vorliegenden Theorie möglich, so soll meine Arbeit ihren Hauptzweck erfüllt haben.
     Ich habe es bei der vorliegenden Arbeit unterlassen, auf nebensächliche Erscheinungen, wie z.B. den Einfluss der rein chemischen Verbrennung der glühenden Kohlenenden einzugehen. Die Erscheinungen am Lichtbogen werden hierdurch nur indirekt beeinflusst, indem z.B. durch erhöhten oder verlangsamten Abbrand die Verdampfungsgeschwindigkeit beeinflusst wird. Für die konstruktive Durchbildung einer Lampe mit hochbelasteten Kohlen hat man den Verbrennungsvorgängen hinter dem Krater jedoch wesentliche Aufmerksamkeit zu schenken, da es ohne besondere Maßnahmen kaum möglich sein dürfte, Kohlen mit so hoher Belastung, wie sie zur Erzielung des Becklichtbogens nötig sind, zu brennen.